Thementag zur Flüchtlingskrise im Gemeinschaftskundeunterricht

Wenn die „Balkanroute“ ein Gesicht bekommt

Syrischer Flüchtling besucht Unterricht am HBG Bruchsal

   Bruchsal (hb). Weil er auf dem Weg zu seiner Schule regelmäßig Leichen umkurven und Gefechtszonen durchfahren musste, traf Adel Darouish die schwerste Entscheidung seines Lebens. Er verließ Familie und Freunde und machte sich frühmorgens auf den Weg nach Europa. Die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich hießen die Stationen, die der 35 Jahre alte Lehrer aus Damaskus mit verschiedenen Verkehrsmittel, rund 180 Kilometer (!) aber auch per pedes zurücklegte. Fehlende Nahrungs- und Hygienemittel, Anfeindungen und Diebstähle hat er erlebt auf dieser vielzitierten „Balkanroute“, der er jetzt vor Schülern des Heisenberg-Gymnasiums Bruchsal ein Gesicht gab.
   Das Interesse war sowohl bei den Elftklässlern des Neigungskurses Gemeinschaftskunde als auch in Klasse neun im Fach GWG groß, und die Fragen, die allesamt auf Englisch gestellt werden mussten, zeigten, wie sehr den von Lehrer Henning Belle betreuten Jugendlichen die Flüchtlingskrise nahe geht. Die Oberstufenschüler konnten diese berührenden Erlebnisse am späten Nachmittag dann sogar wissenschaftlich vertiefen, als im Karlsruher Filmtheater „Die Kurbel“ unter dem Motto „65 Jahre Europa – Das Vermächtnis der Gründungsväter“ mit dem an der Pariser Sorbonne und der London School of Economics ausgebildeten Politologen Ingo Espenschied der Umgang Europas mit der Migrationsproblematik intensiv thematisiert wurde. Eingeladen hatte das baden-württembergische Staatsministerium in Kooperation mit der Europäischen Kommission.
   Lag der Fokus bei dieser Veranstaltung auf dem Gesamtzusammenhang, stand Adel Darouish am Vormittag beispielhaft für Hunderttausende Einzelschicksale. Sein Alltag im Krieg mit den vielen (Lebens-) Gefahren und Entbehrungen schilderte der Philosophiedozent ebenso detailliert wie das Leben in der Gemeinschafsunterkunft, einem Containerdorf am Bahnhof Bad Schönborn-Kronau, wo er sich ein Zimmer mit zwei anderen Flüchtlingen teilt. Auch kritische Aspekte blieben nicht unberührt, etwa Meinungsverschiedenheiten unter Asylbewerbern, die selbstverständlich auftreten, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. „Man muss grundsätzliche Dinge besprechen und auch immer wieder Verhaltensweisen erklären“, betont Darouish. Ernsthafte Konflikte gebe es jedoch nicht. „Wir sitzen schließlich alle in einem Boot.“
   Die Vorgehensweise der Menschenschmuggler, die jedem Flüchtling vier- bis fünfstellige Beträge für ihre Reise nach und durch Europa abknüpfen, interessierte die Heisenberg-Schüler ebenfalls sehr, und Darouish machte deutlich, dass es momentan keine Alternative zu „diesen Geschäftemachern“ gebe. „Solange nicht mehr legale Fluchtwege geschaffen werden, sind wir auf sie angewiesen,“ erklärt er, „egal, ob auf einem alten Boot mit Dutzenden von Menschen oder in Kleintransportern.“ Über Facebook und andere Netzwerke komme man leicht mit ihnen in Kontakt – und in der Türkei werde man auf der Straße auch ständig angesprochen. Dass es sich um Kriminelle handele, stehe dabei außer Frage.
   In Deutschland wartet er nun seit seiner Ankunft Ende Mai darauf, seinen Asylantrag endlich stellen zu können, um bei positivem Bescheid „so schnell wie möglich“ in der Gesellschaft Fuß fassen zu können. Die deutsche Sprache lernt er bereits fleißig, er pendelt täglich mit dem Zug zum Unterricht nach Weingarten. Auch in der Bruchsaler Innenstadt kennt er sich schon sehr gut aus, der Trubel in der Fußgängerzone bietet ihm die nötige Abwechslung vom sonst oft eintönigen Alltag im Camp. Mit seiner offenen Art versucht er zudem immer wieder, eine Brücke zu schlagen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, weshalb er „keine Sekunde“ zögerte, am neuen Kronauer Flüchtlingsprojekt „1000 Gesichter“ teilzunehmen, das die Geschichten der dort untergebrachten Menschen sammelt und auf einer eigenen Homepage sowie bei Facebook präsentiert. Dass Darouish der Flüchtlingstragödie aber eben nicht nur virtuell ein Gesicht gibt, sondern den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch sucht, dankten ihm die Schüler am Heisenberg-Gymnasium Bruchsal mit herzlichem Applaus.

Adel Darouish

                                            Adel Darouish im Februar 2015 in der Mensa der Universität Damaskus

 
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